Der frustrierende Ferien Denkfehler

Ferienfrust? Vielleicht liegt es an diesem Denkfehler.

Ferien sind ein grosses Missverständnis – mit frustrierenden Folgen. Ob der Urlaub gelingt oder nicht hängt weniger mit TUI, Unwettern und Waldbränden zusammen als einem Lieb ist. Und viel mehr mit der eigenen Einstellung.

Das Ferien-Drama in drei Akten:

  1. Die Erwartungen sind hoch. Im Urlaub soll alles anders sein. Endlich kann man das machen, was man will. Endlich ist man mal nicht fremdgesteuert durch die Arbeit, durch den Alltag mit seinen Steuererklärungen, Vorstandssitzungen und Pflichtbesuchen. Endlich kann man alle Sorgen mal hinter sich lassen.
    Auf diese kostbarsten Tage des Jahres hat man lange und mühevoll hingearbeitet. Eine Zeit lang so leben, wie man wirklich möchte – das hat man wirklich wirklich verdient.
  2. Der Preis wird ausgeblendet. Ob entspannender Strandurlaub oder Aktivferien: Beides hat einen Preis – der meistens ausgeblendet wird. Einer dieser vier Fälle wird eintreten:
    • Der Entspannungsurlaub sind nicht so, wie man ihn sich vorgestellt hat. Die Prospektfotos entsprechen nicht der Realität, das Hotel stinkt oder ist lärmig, der all-inclusive-Buffetfrass schlägt auf die Stimmung. Verstärkend wirkt: Wenn man viel Zeit hat zu beurteilen und zu bewerten, findet man noch das kleinste Haar in der Suppe, und vergrössert es.
    • Der Entspannungsurlaub ist so, wie man ihn sich vorgestellt hat. Entspannung heisst, der Druck nimmt ab. De-Pression setzt ein. Viele Menschen sind unter anderem so aktiv in ihrem Leben, um sich nicht mit sich selbst beschäftigen zu müssen. Dann noch lieber äusseren Details rummäkeln (siehe Punkt davor), als sich mit inneren Details zu konfrontieren.
    • Aktivferien funktionieren. Wer Aktiv sein will, möchte Abenteuer. Doch ein Abenteuer erwächst aus einer Krise. Von den Abenteuern, von denen wir noch nach Jahren berichten sind jene, während derer wir die Krise hatten.
    • Aktivferien funktionieren nicht. Siehe erster Unterpunkt.
  3. Urlaub ist meist eine Kombination dieser Punkte. Dem Arbeitgeber gefällts. So freut man sich, wieder zur Arbeit zu kommen. Hinzu kommt: Die meisten Menschen sind ja keine Ferienprofis. Urlaub bedeutet immer auch Lernzone. Und die Lernzone fühlt sich oft unangenehm an. Viele Reiseprofis bestätigen genau das: Sie wurden Profis ihrer Reise-Lernzone, wenn sie z.B. ohne der Sprache mächtig zu sein auf Märkten feilschen, wie Andrew Sean Greer (Das Magazin vom 8.7.23).

    Damit ist auch eine Hauptaussage dieses Lernzonenmodells untermauert: Die bekannte, weil als sicher empfundene Routine wird dem unsicheren Neuen oft vorgezogen. Etwas plastischer ausgedrückt:

    In der Komfortzone zu stecken heisst, man steckt bis zum Hals im eigenen Mist. Das stinkt zwar – aber wenigstens ist es schön warm!

Fazit:

Wie vieles im Leben sind auch die Ferien eine Haltungsfrage. Wer anstatt Work-Life Balance eine Life-Life Balance zelebriert, hat schonmal hilfreichere Erwartungen an die Ferien. Wenn das Leben während der Arbeit weitergeht, müssen auch die Ferien nicht alles kompensieren.

Wer mal im Ausland gelebt hat oder sonst in komplett anderen Verhältnissen, wird vermutlich ähnliche Erfahrungen gemacht haben, welche auch die Wissenschaft beschreibt (1): Jeder Mensch hat einen individuellen Zufriedenheits-Mittelwert. Auch wenn sich die Umstände radikal verändern: Nach einigen Wochen ist diese Grundzufriedenheit wieder auf den ursprünglichen Wert eingeschwungen. Dies wurde z.B. auch an Lotto-Gewinnern bestätigt.

Zudem lehren solche Erfahrungen, dass man zwar seinem Leben entfliehen kann, nicht aber sich selber. Sich und seine Art, die Welt zu sehen, hat man immer dabei. Selbst am anderen Ende der Welt. Wer solches verändern will, dem sei eher eine Reise nach innen empfohlen.

Das bedeutet: Es geht gar nicht so sehr darum, was passiert oder nicht passiert in den Ferien. Vielmehr geht es darum, wie wir mit dem umgehen können, was passiert. (2)

  • Treffe die Fehrienprogrammwahl weise.
  • Tue das, was du wirklich tun möchtest. Und zahle den Preis in Würde.
  • Nicht was passiert macht dich Glücklich, sondern wie du mit dem, was passiert, umgehst.

Viele Grüsse aus Paris

Quellen

(1) Eine Studie aus 1978 belegt den überraschenden Zusammenhang, dass die Grundzufriedenheit sich ein Jahr nach einem einschneidenden Erlebnis wieder normalisiert.

(2) Sinngemäss zitiert nach Gunther Schmidt

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